Eintrag Nr. 4554
Guten Tag Herr Dr. Schmickl,
ich habe schon seit einiger Zeit öfters hier mitgelesen aber bislang noch keinen Beitrag eingestellt.
Nun zu meinem Anliegen.
Wir haben im Jahr 2020 eine vorhandene Destille* ‚geerbt‘ und damit bereits einige Brände erzeugt, mit mäßigem bis teils akzeptablem Erfolg.
*kurze Anlagenbeschreibung:
Umgeschweißte Stahl-Milchkanne, ca. 12L Gesamtvolumen, doppelwandig mit speiseölgefülltem Mantel, Thermometer (mit zweifelhafter Funktion) nur die Öltemperatur messend, sehr enges Geistrohr (ca. 6mm Innendurchmesser), Führung des Geistrohres durch mit Leitungswasser gekühlten Schlangenkühler. Oberfläche der Brennblase innen immer leicht angerostet, vermutlich durch Obstsäuren bedingt (wird vor jedem Brand abgerieben und gereinigt).
Damit haben wir über die Zeit verschieden große Mengen Mirabellenmaische, Apfelmaische, sowie Apfel-/Birnenmaische
gebrannt, jeweils mit Zugabe von Reinzuchthefe, Nährsalz, Biogen M und je nach Fall mehr oder weniger Zucker, um eine hochgradigere Maische bzw. mehr Ausbeute zu erzeugen.
Teilweise hatten wir – vor allem direkt beim Brennen in der Luft oder auch noch einige Wochen danach vom Produkt ausgehend – einen sehr unangenehmen, etwa an faule Eier erinnernden Geruch bzw. Geschmack festgellt. Wir hatten diesen nach Internet-Recherche als sog. (Brenn-)Böckser interpretiert, sind diesbezüglich aber nicht sehr sicher.
Nach Kauf und Lesen ihres hilfreichen Buches haben wir folgende Änderungen an der Anlage vorgenommen:
Da diese Anlage kein Dampfthermometer besaß und obendrein 0% Kupfer verbaut war (Böckser ggf. dadurch
bedingt?), haben wir letztes Jahr das Geistrohr mitsamt Schlangenkühler entfernt und diese Teile ersetzt durch ein
Geistrohr mit großzügigem Durchmesser von ca. 20mm, ein Dampfthermometer gemäß der in ihrem Buch beschriebenen Position, einem Liebigkühler mit ca. 40mm Außendurchmesser und >1m Länge, alles in Sanitärkupfer als Lötkonstruktion ausgeführt.
Die Temperaturkalibration mit alten Weiss- und Rotweinbeständen von durchschnittlich 12% ergab eine Abtrenn-Temperatur für den Nachlauf von 92°C (gemäß dem Hinweis im Buch auf S. 88).
Nach diesem Umbau haben wir eine auf ca. 20% vol. gebrachte Birnenmaische (Sorte Conference, 27kg, durchgängig bei nur 15-16°C vergoren) nach ca. 4 Mon. Lagerung gebrannt und bei 92°C abgetrennt. Es sind beim Brennen und auch im Produkt keine Fehlaromen mehr feststellbar. Diese haben wir dann unverdünnt über mehrere Monate in einer
großen Glaskaraffe mit viel Luftanteil gelagert. Nach Verdünnen auf 42% Trinkstärke war das Ergebnis dann doch eher ernüchternd: Es schmeckt irgendwie nach mäßigem Obstler, aber ein auch nur ansatzweise erkennbares Birnenaroma ist
nicht vorhanden.
Da wir bzgl. des vorigen Mangels an Kupfer skeptisch waren, hatten wir nachträglich noch ca. 500g Kupferdrahtgeflecht
aufgedröselt und diesen im Gasbereich der Destille aufgehangen.
Mit dieser Konfiguration haben wir zunächst eine hochgradige Pflaumenmaische gebrannt (vorher 2 Monate gelagert), an der man tatsächlich auch ein gewisses Pflaumenaroma feststellen kann, bis jetzt also das beste Ergebnis. Beim Brennen lag auch deutlich Pflaumenduft in der Luft. Soweit so gut.
Letzte Woche haben wir nun ca. 8L hochgradige Mirabellenmaische gebrannt, mit gleichen Randbedingungen
wie bei der Pflaumenmaische zuvor. Diese wurde nach Ende der Gärung ebenfalls ca. 4 Monate gelagert.
Das Resultat von 2L Menge weist einen Alkoholgehalt von 56% auf, entspricht also exakt ihrer Angabe auf Seite 89 oben. Der Geschmack und Geruch ist angenehm, wiederum jedoch ohne ein eindeutiges Frucht- = Mirabellenaroma. Die destillierten Fraktionen teilen sich folgendermaßen auf:
1. Teil von 1L Menge, 64%, Geruch wie späteres Endprodukt, klar
2. Teil von 0,5L Menge, 53%, Geruch wie späteres Endprodukt, klar
3. Teil von 0,2L Menge, 46% (bis 91,5°C gebrannt), intensiver angenehmer Mirabellenduft, klar
4. Teil von 0,3L Menge, 40% (bis 93°C gebrannt, war eigentlich nur zum Testen gedacht), intensiver angenehmer
Mirabellenduft, leicht trüb
Diese 4 Teile haben wir dann vermischt und auf 43% verdünnt. Der Mirabellenduft ist komplett verschwunden.
Das Paradoxon besteht hier also darin, dass nicht der erste Teil des Edelbrandes inkl. des Herzstücks das beste Aroma hat, sondern der Rest kurz vor dem Abtrennen des Nachlaufs bzw. sogar etwas darüber hinaus.
Haben Sie hierfür eine Erklärung bzw. Theorie?
Und noch etwas allgemein gefragt:
Worauf sollten wir achten, um ein besseres bzw. fruchttypisches Aroma zu erreichen, so dass der Brand nicht einfach nur irgendwie fruchtig/obstig schmeckt und riecht, sondern die jeweilige Frucht klar erkennbar ist?
Besten Dank im Voraus.